Was war 1915 passiert?
1915 wurden auf wissenschaftlichen Rat in Deutschland 5 Millionen Schweine geschlachtet. Professoren wollten seinerzeit die vorhandenen Nahrungs- du Futterressourcen optimal nutzen. Dies wurde erforderlich, nachdem eine britische Seeblockade Importe von Nahrungsmitteln verhinderte und sich die Versorgungslage der Bevölkerung schnell verschlechterte. Nach einer Bestandserhebung in der Landwirtschaft gingen die Gelehrten aufgrund falscher Angaben davon aus, dass die Futtermittel für die Schweine nicht ausreichen würden. Die vermeintliche Lösung lag nah: Die Schlachtung von 5 Millionen zusätzlichen Schweinen wurde angeordnet und das Fleisch auf den Markt geworfen. Die Preise fielen drastisch. Da der Markt die Mengen nicht aufnehmen konnte und die Konservierung nicht funktionierte, verdarben große Mengen und im darauffolgenden Frühjahr folgte eine Preisexplosion. Kartoffeln und Weizen wurden in der Folge verfüttert, so dass sich die Versorgungssituation mit sämtlichen Lebensmitteln erneut drastisch verschlechterte.
Was die Wissenschaftler ebenfalls nicht bedacht hatten, war der Dünger. Zum einen fehlte der Dung der Schweine fehlte und zum anderen machte die Seeblockade den Import von Mineraldünger unmöglich. Die Erträge auf den deutschen Äckern sanken dramatisch, was letztlich zu Hunger in der Bevölkerung führte. Da Gelehrte seinerzeit die Schlachtung der Tiere vorschlugen, wird dieses Geschehen als "Professorenschlachtung" bezeichnet.
Gibt es Parallelen zu heute?
Auch wenn wir heute keine Seeblockade haben und sicherlich nicht vor einer Hungersnot stehen, so sollten wir doch aus der Geschichte lernen. Nicht eine Seeblockade aber der Ukraine-Krieg sorgt für erhebliche Unsicherheiten. Denn Russland ist einer der größten Hersteller und Exporteure von Mineraldünger und ebenso auch von Gas und Öl. Beides Rohstoffe, die in großen Mengen zur Herstellung von Mineraldünger benötigt werden. Sowohl beim Dünger selbst als auch bei den Vorprodukten ist derzeit keineswegs sicher, ob uns diese auf absehbare Zeit noch in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Bereits heute mahnt der Bauernverband zum Anlegen auch einer Düngerreserve.
Würden wir die Tierproduktion, wie aktuell auch von Teilen der Wissenschaft gefordert, um 30 Prozent reduzieren, würde auch der Anfall von Wirtschaftsdünger - vor allem Stallmist und Gülle - in gleicher Höhe zurückgehen. Um die Erträge überhaupt halten zu können, müsste erheblich mehr Mineraldünger importiert werden, was aktuell kaum möglich ist. Der Schuss ginge dann nach hinten los: Weniger Tiere – weniger Wirtschaftsdünger – weniger Pflanzenertrag oder mehr Mineraldünger und damit mehr Öl, Gas und Treibhausgase. Denn auch das sollte man berücksichtigen: Wirtschaftsdünger wird praktisch klimaneutral bei der Erzeugung von Milch und Fleisch mitgeliefert.
Haben wir nicht zu viel Wirtschaftsdünger?
In Niedersachsen, dem Bundesland mit dem größten Tierbestand, war der Stickstoffeintrag 2021 erstmalig geringer als der Pflanzenbedarf. Obwohl das Land bei der Schweinehaltung an 1. und bei der Rinderhaltung an 2. Stelle steht. Es kommt also auf eine effiziente und bedarfsgerechte Verteilung des Wirtschaftsdüngers an. Durch den Ukraine-Krieg wird er zunehmend ein mehr und mehr wertvoller Rohstoff für die Landwirtschaft. Ohne Dünger im Ackerbau – gleichwohl ob Mineral- oder organischer Wirtschaftsdünger – werden die Ernteerträge in Deutschland massiv sinken.
Da die Preise für Mineraldünger schon seit Monaten enorm ansteigen, wird der Fokus wieder verstärkt auf organischen Wirtschaftsdünger gelegt. Durch die tierischen Ausscheidungen profitieren auch die Erzeuger pflanzlicher Lebensmittel. Eine ausreichende Menge an Wirtschaftsdünger ist und bleibt ein wesentlicher Bestandteil der Kreislaufwirtschaft und wichtig für die Versorgungssicherheit.