Einfache Empfehlungen, welche Lebensmittel gut oder schlecht sind, beziehen sich meist auf Einzelaspekte. Eine einseitige Ernährung und dauerhaft große Mengen Kalorien über den tatsächlichen Bedarf hinaus sind aber sehr wahrscheinlich nicht empfehlenswert. Zur besseren Orientierung der Verbraucher finden sich aus diesem Grund schon seit langer Zeit Angaben zu Nähr- und Inhaltstoffen auf den Lebensmittelverpackungen. Ergänzt wird diese Information inzwischen durch den Nutri-Score. Durch eine farbliche Skala (von tiefgrün bis dunkelrot) mit Buchstabenkennzeichnung (A bis E) soll dem Verbraucher aufgezeigt werden, ob ein Lebensmittel "empfehlenswert" ist.
Das klingt soweit ganz einleuchtend, manche Einstufungen verblüffen dennoch. Sobald einzelne Faktoren bei der Gewichtung extrem in den Vordergrund treten, gerät das System aus dem Ruder: Wie lässt sich sonst erklären, dass zuckerhaltige Limonaden oder Brausen einen besseren Nutri-Score aufweisen (B oder C) als natives Olivenöl (D). Nimmt man nur die absoluten Kalorien, so kann das Olivenöl nur verlieren. Dabei wird nicht einmal berücksichtigt, dass Olivenöl meist esslöffelweise in den Salat gelangt, während Softdrinks mitunter in großen Mengen konsumiert werden. Denn der Nutri-Score bezieht sich auf 100 g bzw. bei Getränken auf 100 ml – nicht aber auf eine übliche Portion. Und auch eine Apfelsaftschorle (D) schneidet in dieser Betrachtung aufgrund ihres Zuckergehaltes schlechter ab als Light-Erfrischungsgetränke ohne nennenswerten Nährstoff- und Vitamingehalt, die darüber hinaus viele chemische Zusatzstoffe enthalten.
In Italien darf der Nutri-Score nur noch mit einem Warnhinweis verwendet werden. Das hat die italienische Wettbewerbsbehörde festgelegt. Solange es diesbezüglich keine europäische Gesetzgebung gibt, so die Wettbewerbsbehörde, kann nicht eine Kennzeichnungsmethode einer anderen vorgezogen werden. Wer den Nutri-Score nutzen will, muss also angeben, dass das Ampelsystem auf Basis eines Algorithmus und auf nicht allgemein anerkannten und geteilten wissenschaftlichen Auswertungen entwickelt wurde.
Unsinnige Rechenexempel schaffen Verwirrung
Um vermeintlich gute von schlechten Nahrungsmitteln zu scheiden, ist es heutzutage gleichfalls beliebt, den ökologischen Fußabdruck dieser zu vergleichen. Im Klartext heißt das, wie viel Wasser wurde für die Herstellung benötigt und wie viel Kohlendioxid (CO2) dabei freigesetzt? Beim Wasser wird aber meist leider nicht unterschieden, woher dieses stammte. Auf diese Weise entstehen spektakuläre Aussagen, dass für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch 15.000 Liter Wasser „verbraucht“ werden. Rund 94 Prozent des Wassers, dass ein Rindvieh braucht, stammt allerdings aus Niederschlägen und nur ein Bruchteil ist Trinkwasser. Das sieht beispielsweise bei Avocados oder Mandeln ganz anders aus: Durch den Anbau dieser und die Entnahme von wertvollem Trinkwasser werden ganze Landstriche ausgedörrt und zwar in Gegenden, die ohnehin schon extremen Wassermangel beklagen. Das hat auch der WWF festgestellt:
Nahrungsmittel jeweils anhand ihrer Nährstoffe beurteilen
Lebensmittel, die einen höheren Fettgehalt aufweisen, erhalten üblicherweise eine schlechtere Bewertung beim Nutri-Score, beispielsweise Olivenöl, das eingangs bereits erwähnt wurde. Aber Fett ist nicht nur ein wichtiger Geschmacksträger – und das ist bei einer genussvollen Mahlzeit kein unerheblicher Gesichtspunkt – fettreichere Lebensmittel weisen oft viele wertvolle Nährstoffe auf. Bei Käse fließt deshalb ernährungsphysiologisch der Proteingehalt bei der Nutri-Score-Berechnung positiv ein. Das ist durchaus sinnvoll, schließlich korreliert der Proteingehalt von Käse stark mit dem Kalziumgehalt. Diese Betrachtung muss auch bei der Einstufung von Fleisch zum Tragen kommen, kaum ein anderes Lebensmittel weißt einen derart hohen Nährwert auf und liefert dem Körper so viele lebenswichtige Bausteine.
Mit einer Portion Rinderfilet (230 Gramm / 280 Kcal) kann ein durchschnittlicher Erwachsener mit einem Gewicht von 70 Kilogramm seinen täglichen Proteinbedarf von 56 Gramm bereits decken und erhält zusätzlich wertvolles Vitamin B12 für das Immun- und Nervensystem sowie hoch bioverfügbares Eisen für die Blutbildung. Um hingegen mit Salatgurken den Proteinbedarf zu decken, müsste ein durchschnittlicher Erwachsener knapp zehn Kilogramm täglich essen – die schlechtere Verwertbarkeit von pflanzlichem Protein sei dabei unberücksichtigt.
Ein Erwachsener der mit Salatgurken seinen täglichen Kalorienbedarf (2.400 Kcal) zu decken versucht, müssten sogar 20 Kilogramm essen. Auf diese Weise betrachtet, erscheint die Salatgurke als ziemlich unnützes Nahrungsmittel. Die Vorstellung ist aber natürlich absurd. Kein vernünftiger Mensch ernährt sich von kiloweise Salatgurken und ebenso wenig ausschließlich von Fleisch. Tierische und pflanzliche Kost ergänzen sich in einer ausgewogenen und möglichst vielseitigen Ernährung. Das trägt zum Wohlbefinden und zum Erhalt der Vitalität bei und beugt Mangelerscheinungen vor.