Seit das sogenannte Laborfleisch oder Fleisch aus Zellkulturen (Cultured Meat) vor einem Jahrzehnt mit der Präsentation des ersten "Labor-Burgers" an den Start ging, ist das Medieninteresse an dieser Technologie nicht abgeebbt. Wissenschaftler haben nun das Ausmaß dieses Hypes einmal genau quantifiziert. Das Ergebnis überrascht: Bis zum Jahr 2020 gab es nur 300 wissenschaftliche Artikel, die sich sachlich mit der Thematik auseinandersetzen, bei knapp 13.000 Beiträgen in den Medien. Eine auffällige Diskrepanz, die ein verzerrtes Bild in der öffentlichen Debatte vermittelt. Dies hat paradoxerweise dazu geführt, dass ein Teil des wissenschaftlichen Diskurses über die tatsächlichen Auswirkungen dieser Technologie verstummte. Ein neuer wissenschaftlicher Bericht gibt nun einen umfassenden Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu künstlich erzeugtem Fleisch.

Produktionsprozess kompliziert und aufwändig

Der Bericht zeigt auf, dass der Produktionsprozess von Laborfleisch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Zur Herstellung ist die Entnahme von Muskelgewebe von einem lebendigen Tier erforderlich, um lebende Stammzellen zu erhalten. Da dies regelmäßig geschehen muss, stellen sich sowohl neue ethische- als auch Tierschutzfragen. Die entnommenen Stammzellen vermehren sich und wandeln sich dann in verschiedene Zelltypen wie Muskel- und Fettzellen um. Dazu muss ein Medium Nährstoffe, Hormone und Wachstumsfaktoren liefern, die für die Zellvermehrung und -differenzierung in reifem Gewebe erforderlich sind.

Bei dem üblicherweise verwendeten Nährmedium handelt es sich um fötales Rinderserum, das dem ungeborenen Kalb entnommen wird. Aufgrund der ethischen Fragen, die diese Praxis aufwirft, haben sich viele Unternehmen dazu verpflichtet, das fötale Rinderserum durch ein künstliches Serum zu ersetzen. Nach Ansicht der Autoren des Berichtes gibt es bei diesen synthetischen Medien jedoch einige Schwierigkeiten in der Bestimmung der genauen Konzentrationen der einzelnen Serumbestandteile, die für jeden Zelltyp und das jeweilige Entwicklungsstadium geeignet und gut angepasst sein müssen.

Laborfleisch Kunstfleisch - Produktionsmethode

Durch die Notwendigkeit synthetische Hormone für die Vermehrung der Zellen einzusetzen, stehen die Befürworter von künstlich erzeugtem Fleisch in Europa vor einem weiteren Problem: Der Einsatz von Hormonen ist in der Europäischen Union nicht zulässig. Dies erklärt zum Teil auch, warum Singapur derzeit eines der wenigen Länder ist, welches die Kommerzialisierung dieser Technologie zugelassen hat. Zudem unterliegen die Technologien zur Kunstfleischherstellung Patentrechten, so dass die Produktion auf wenige Unternehmen konzentriert erfolgen wird. Ganz im Gegensatz zur Nutztierhaltung auf Bauernhöfen. Die Hersteller von Laborfleisch preisen es als sicherer als natürliches Fleisch an, da es in einer vollständig kontrollierten Umgebung produziert wird. Daher bezeichnen sie es als steriles Produkt, das keinerlei Gesundheitsrisiken birgt. Im Labor gezüchtetes Fleisch ist allerdings nicht frei von Verunreinigungen. Ein Problem bei der Kultivierung der Zellen ist ihre mögliche Kontamination mit krankmachenden Bakterien, Viren oder Pilzsporen. Aus diesem Grund könnten Antibiotika und Fungizide im Nährmedium erforderlich sein. Der Mangel an eingehender Forschung im Zusammenhang mit der Gefahren- und Risikoanalysee von Laborfleisch ist das größte Hindernis für die Einführung eines sicheren Produkts auf dem Markt, so die Ansicht der Autoren des Berichtes.

Nachteile in Bezug auf Gesundheit und Geschmack

Natürliches Fleisch ist ein komplexes Lebensmittel, das viel schwieriger zu reproduzieren ist als durch die bloße Anhäufung von Muskel- und Fettgewebe. Unklar ist, wie nahe der Gehalt an Makro- und Mikronährstoffen von Kunstfleisch dem von echtem Fleisch kommt. Es ist wahrscheinlich, dass im Labor gezüchtetes Fleisch einen Mangel an essenziellen Nährstoffen aufweist, die sich nur schwer reproduzieren lassen wie Eisen, Zink und Vitamin B12. Jede Zutat wie Spurenelemente oder Mikronährstoffe, die in vitro zugesetzt wird, beeinträchtigt wahrscheinlich die Nährstoffqualität. Sie sind nicht Teil der ursprünglichen Struktur und werden möglicherweise weniger gut aufgenommen.

Laut Auffassung der Studienautoren könnten sich solche künstlichen Bestandteile des Nährmediums oder der Biomaterialien von gezüchtetem Fleisch sogar hemmend auf den gesundheitlichen Nutzen von Mikronährstoffen wie Eisen auswirken. Ein weiterer entscheidender Punkt ist, dass dieses Fleisch aus der Retorte kein Myoglobin und keine als angenehm empfundene Geschmacks- und Aromastoffe wie echtes Fleisch enthält. Diese entstehen während des Reifeprozesses. Aus diesem Grund werden viele Zutaten wie Paniermehl, Rote-Bete-Saft, Safran und Eipulver hinzugefügt, um die sensorische Empfindung von Fleisch in Bezug auf Geschmack und Farbe zu imitieren.

Trotz zahlreicher Forschungsvorhaben sind die Befürworter von kultiviertem Fleisch noch weit davon entfernt, die Vielfalt der auf dem Markt befindlichen Fleischprodukte und ihre Grill-, Brat- oder Kocheigenschaften zu kennen und zu verstehen. Deshalb sind die Produkte, die vorgestellt werden, oft nur Hackfleischkopien wie Burger-Patties oder Nuggets.

Nachhaltigkeit vom Laborfleisch fraglich

Die Autoren stellen auch die Nachhaltigkeitsansprüche von Laborfleisch in Frage. Die Verringerung der Methanemissionen wird gerne als einer der wichtigsten potenziellen Vorteile dargestellt. Nach Ansicht der Wissenschaftler ist der Vergleich zwischen den Umweltauswirkungen von Kunstfleisch und konventionellem Fleisch jedoch unvollständig und manchmal auch verzerrt. Erstens, weil noch immer nur wenige Produktionsanlagen für Fleisch aus Zellkulturen existieren, auf die sich die Studien stützen können und zweitens, aufgrund der Art und Weise wie Emissionen aus der Tierhaltung mit Emissionen aus Produktionsstätten für Laborfleisch verglichen werden.

Eine kürzlich durchgeführte Studie kam zu dem Schluss, dass die globale Erwärmung bei Kunstfleisch kurzfristig geringer ausfallen würde als bei der Erzeugung von echtem Rindfleisch, dass es aber langfristig schädlicher sei, da sich Methan in der Atmosphäre weniger schnell anreichert als CO2, das von Kunstfleischfabriken erzeugt wird.

Die Bioreaktoren, in denen sich die Zellen vermehren, benötigen große Mengen an Energie und verursachen hohe CO2-Emissionen. Was den Wasserverbrauch betrifft, so fällt dieser vergleichbar aus: Für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch werden im Durchschnitt 550 Liter Wasser benötigt. Diese Menge setzt sich aus grauem und blauem Wasser zusammen. Siehe auch: Wassernutzung verschiedener Ernährungsformen. Für Laborfleisch sind 367 bis 521 Liter pro Kilogramm notwendig.

Bei der Flächennutzung ist die Tatsache, dass Kunstfleisch weniger Fläche benötigt als konventionelles Fleisch ebenfalls kein Vorteil. Die Viehzucht spielt eine Schlüsselrolle, indem sie nicht essbare pflanzliche Biomasse verwertet und in hochwertige Proteine für den Menschen umwandelt. Durch den Einsatz von organischem Dünger aus der Tierhaltung wird zudem die Fruchtbarkeit des Bodens erhalten und der Einsatz von Mineral-Düngemitteln verringert.

Würden Nutztiere abgeschafft und nur noch Kunstfleisch erzeugt, gingen Ökosystemleistungen verloren und die Erzeugung von Nebenprodukten von Nutztieren, die für Landbau, Bekleidung, Pharmazeutika sowie für die Erzeugung von Bioenergie gebraucht werden, würde wegfallen. Ganz zu schweigen davon, dass viele Höfe und Familienbetriebe zugrunde gehen würden, die seit Generationen Viehzucht betreiben. Zudem unterliegen die Technologien zur Kunstfleischherstellung Patentrechten, sodass die Produktion auf wenige Unternehmen konzentriert erfolgen wird. Ganz im Gegensatz zur Nutztierhaltung auf Bauernhöfen.

Dieser Artikel wurde zuerst auf meatthefacts.eu veröffentlicht.