Hannes Jaenicke ist nicht nur ein bekannter Film- und TV-Schauspieler, er ist auch Umweltschützer und in Sachen Tierschutz aktiv. Dazu fliegt er munter von Kontinent zu Kontinent und pendelt zwischen seinen Wohnsitzen am Ammersee und in Los Angeles. Inzwischen findet sich in der ZDF-Mediathek ein bunte Reportagereihe mit Filmen, beispielsweise "Im Einsatz für den Wolf oder den Geparden".
Viel Meinung wenig Fakten
Im aktuellen Filmbeitrag widmet sich der Tierschützer und Vegetarier dem deutschen Schwein. Genauer: seiner Haltung als Nutztier. Auf drastische Bilder wird dabei verzichtet, stattdessen auf plumpe Emotionalisierung gesetzt. Das allein wäre sicher kein Grund zur Aufregung. Niemand bestreitet, dass Nutztiere empfindungsfähige Lebewesen sind. Das wäre auch kein Grund sich an dem Beitrag im ZDF zu stören. Die Unsachlichkeit in der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Thema und die vielen Aussagen, die rein sachlich betrachtet, mindestens außerordentlich einseitig oder sogar komplett unhaltbar sind, können allerdings nicht einfach hingenommen werden. Auch schon deshalb nicht, weil er damit über 200.000 Bauernfamilien von tierhaltenden Betrieben diskreditiert und jegliche gute, landwirtschaftliche Praxis ignoriert.
Munter reihen sich im Beitrag Behauptungen aneinander, ohne dass Belege dafür erbracht werden. So habe sich der Schweinebestand in Deutschland in den letzten 70 Jahren verdoppelt. Der aktuelle Schweinebestand liegt bei 23 Mio. Tieren. 1950 lag er bei knapp 18 Mio. Von einer Verdoppelung kann keine Rede sein. Der Spitzenwert war in den 80er-Jahren mit über 35 Mio. Tieren erreicht. Das bedeutet im Vergleich zu heute eine Reduktion um 35 Prozent in den letzten 40 Jahren (Quelle: https://bit.ly/3m0Og0M). Seit 2017 hat sich dieser Prozess sogar erheblich beschleunigt. Alleine in den letzten fünf Jahren sind die Bestände um 14 Prozent zurückgegangen. Der Schweinebestand in Deutschland ist also nachweisbar rückläufig.

Behauptungen ohne Belege
Ebenfalls falsch ist die Behauptung, dass in der Tierhaltung viel mehr Antibiotika zum Einsatz kämen als in der Humanmedizin und dass multiresistente Keime durch Antibiotikarückstände im Fleisch und durch Einleitung der Schlachtabwässer entstünden. Antibiotika werden eingesetzt, um kranke Tiere zu behandeln. Dies dient der Tiergesundheit und dem Tierschutz und dem Schutz des Menschen vor Zoonosen. Der Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung sank in den letzten zehn Jahren um rund 60 Prozent. Im Vergleich mit 2011 haben die Abgabemengen der Reserveantibiotika ebenfalls einen deutlichen Rückgang verzeichnet, bei Fluorchinolonen um 22 Prozent, bei Polypeptidantibiotika um 53 Prozent, bei den Cephalosporinnen der dritten und vierten Generation um 63 Prozent sowie bei Makroliden um 65 Prozent.

Mengenmäßig liegen Tier- und Humanmedizin beim Antibiotikaeinsatz ungefähr gleichauf. Zu bedenken ist aber, dass 85 Prozent der Antibiotika in der Humanmedizin im klinischen Umfeld verabreicht werden und dort entstehen auch die überwiegende Zahl an multiresistenten Keimen. Und die sehr geringe Anzahl multiresistenter Keime aus der Nutztierhaltung trägt meist nicht die typischen krankmachenden Merkmale der Humankeime. Weiterführende Informationen: https://bit.ly/3x0c1wc

Schlachtabwässer gelangen zudem nicht ungeklärt in die Umwelt. Selbst das Bundesumweltamt belegt, dass der überwiegende Teil des Eintrags an Antibiotika in Grundwasser hauptsächlich aus der Humanmedizin stammt. Das schließt nahtlos an die Behauptung von Jaenicke an, dass jährlich 700.000 Menschen an Infektionen durch multiresistente Keime sterben. Was ist damit gemeint? Europaweit, weltweit? Woher stammt diese Zahl überhaupt und in welchem Kontext steht sie? Das RKI beziffert 400.000 bis 600.000 Infektionen mit multiresistenten Keimen in Deutschland im Jahr 2019. Die Todesfälle lagen bei 10.000 bis 15.000 (Quelle: https://bit.ly/3m08yY4). Wurde hier vielleicht die Infektionszahl gleich der Todesfallzahl gesetzt? Die Antwort bleibt Jaenicke schuldig, ebenso auf die Frage, wo sich diese Menschen die Infektion zugezogen haben.
Fleischersatz zur Weltrettung
Fehlen dürfen natürlich nicht die veganen Fleischersatzprodukte. Die – wie oft medial behauptet – eine gesunde Alternative sein sollen. Dass diese industriell hochverarbeiteten Produkte viel Zucker, Salz und Fett enthalten und dass in Tests, beispielsweise von der Zeitschrift Ökotest, mehrfach Rückstände von Mineralöl darin gefunden wurden, ist abermals keine Erwähnung wert. Neueste Studien deuten sogar daraufhin, dass eine zu starke einseitige Ernährung mit solchen Produkten das Sterberisiko deutlich steigern kann. Studie: https://bit.ly/3PQnkhU
Falschdarstellung einer Branche
Und auch die Legende vom "Billigfleisch" findet in solch einer Reportage selbstverständlich ihren Platz. Dass Fleisch hierzulande zu den bestkontrollierten und nach höchsten Qualitäts- und Hygienestandards produzierten Nahrungsmitteln zählt, ist Jaenicke egal. In Wirklichkeit ist Fleisch nur in wenigen Ländern teurer als in Deutschland. Wo bleibt die journalistische Sorgfaltspflicht der öffentlich-rechtlichen? Machte man sich überhaupt die Mühe, diese Aussagen zu prüfen?

Jaenicke wirft gegen Ende noch die Frage nach der Umgestaltung der Landwirtschaft und der Nutztierhaltung auf. Dieser Transformationsprozess ist bereits im vollen Gange. Mit der Initiative Tierwohl (ITW) maßgeblich an der Einführung der Tierhaltungskennzeichnung beteiligt, die man seit 2019 in allen großen Supermärkten finden kann. Auch an der Umgestaltung der Tierhaltung zu mehr Tierwohl haben sich Land- und Fleischwirtschaft aktiv beteiligt. Mit dem Borchert-Konzept liegt ein von breiten Schichten getragener Vorschlag auf dem Tisch von Minister Özdemir. Zur Untermauerung darf er im Beitrag versprechen, den Umbau zu finanzieren. Auch dafür gibt es konkrete Vorschläge auf seinem Tisch – nämlich die Streichung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf tierische Erzeugnisse. Nur außer Reden ist bislang wenig passiert.